Es war über die Woche hinweg eine beeindruckende Dynamik bei den Protesten zu beobachten. Ganz einfach gesagt der Funke ist übergesprungen. Das ist schon lange kein Bauernprotest mehr. Die Bauern führen ihn an und er wird mittlerweile vom ganzen Volk unterstützt.
Los ging die Woche für mich am Montag auf dem Spargelhof in Klaistow. Dort gab es einen Sammelpunkt für den Protestzug zur Staatskanzlei in Potsdam. Früh morgens brachte ich meine Kinder zur Schule und Kita und hatte Bedenken, dass ich nicht pünktlich am Treffpunkt erscheine. Je näher ich kam desto mehr bemerkte ich, wie sich hinter mir die Fahrzeuge sammelten. Die haben doch nicht etwa alle immer noch das gleiche Ziel? Doch hatten sie!
Ich bog auf den Parkplatz ein und alle Autos die sich hinter mir aufgereiht hatten folgten mir. Und der Strom riss nicht ab. Es war noch dunkel und die hunderten gelben Rundumleuchten und Warnblinker erleuchteten die komplette Umgebung. Was für ein inspirierender und vor Kraft strotzender Anblick. Das war das erste Mal, dass ich in dieser Woche Gänsehaut durch die Atmosphäre und nicht durch die Kälte bekam. Es sollten noch einige dieser Momente folgen.
Um Neun Uhr morgens ging es dann endlich los Richtung Potsdam, dachte ich. Durch die schiere Menge an Fahrzeugen die sich in Bewegung setzten kam ich erst um 10:30 Uhr, also 1,5 Std nach dem ersten Fahrzeug auf die Straße. Und ich war noch lange nicht das letzte Fahrzeug. Auf der Strecke, über die Landstraßen kamen wir immer wieder an den angemeldeten Sperrungen der Autobahnauffahrten vorbei. Bei minus 9 Grad standen dort nicht nur die Bauern und andere Unterstützer an den wärmenden Feuern und Grills, sondern auch die Polizisten, die an diesem Tag im Einsatz waren. Und trotz dieser wettertechnisch widrigen Umstände habe ich noch nie so viele wohl gestimmte, lächelnde Polizisten bei einer deutschlandweiten Großdemonstration gesehen. Das ist über alle Maße hinaus beeindruckend.
Als wir durch die Dörfer und Städte kamen, wurde es immer emotionaler. Hunderte Einwohner standen bei klirrender Kälte am Straßenrand. Sie jubelten, winkten uns zu, klatschten, filmten mit ihren Telefonen, hielten Schilder hoch und lagen sich in den Armen. Es war magisch.
Das ist Aufbruch!
Selbst die durch die 23 Kilometer lange Protestschlange unserer Fahrzeuge im Stau stehenden Autos und deren Fahrer, waren größtenteils einfach nur beeindruckt und überwältigt. Sie Hupten, gaben Lichthupe, Grüßten und ließen die Eindrücke wirken. An der Staatskanzlei kam ich erst Stunden später an, was jedoch meine Stimmung nicht trübte. Alles was ich gesehen habe und genießen konnte war mir viel mehr Wert.
Nach der Demo in Potsdam bin ich noch weiter nach Jüterbog gefahren wo zu einer Abschlusskundgebung des Tages aufgerufen wurde. Erwähnenswert hierbei, dass zu Corona Zeiten dort noch Hundertschaften und Reiterstaffeln seitens der Polizei geschickt wurden, gab es an diesem Tag ein völlig normales Aufgebot und auch hier versammelten sich wieder hunderte Bürger um zusammen zu sprechen und friedlich ein Zeichen gegen die aktuelle Regierung zu setzen.
Am Freitag der Woche war es mir dann möglich mich wieder aktiv an den Demonstrationen zu beteiligen.
Ich fuhr morgens zu der Sperrung der Bundesstraße 101. Wie die ganze Woche, bei eisigen Temperaturen von bis zu minus 10 Grad, standen auch hier wieder stundenlang tapfere Bürger im freien am Feuer bei Kaffee, Tee, Bratwurst und setzten friedlich ein Zeichen gegen die Regierungspolitik.
Nicht zu vergessen ist auch hier wieder die Solidarität der Bevölkerung die Getränke und Essen ungefragt vorbeibrachten und verteilten, um die Demonstranten zu stärken und zu stützen.
Am Nachmittag fuhr ich dann weiter nach Woltersdorf, wo vom Bauernverband seit Dienstagabend zu einer Sternfahrt mit anschließendem Mahnfeuer aufgerufen wurde. Auch hier wurde beeindruckend deutlich, was sich über die Woche getan hat. Waren anfangs der Woche Traktoren in der Überzahl, sind es nun Handwerkerfahrzeuge, LKW, andere Dienstleister und zunehmend viele private PKW die bei den Blockaden, Konvois, Kundgebungen die überwiegende Mehrheit bilden. Aus den am Dienstag für die Demonstration gemeldeten 30 Personen wurden im Übrigen binnen 3 Tagen weit rund 150 Teilnehmer und Fahrzeuge.
Für mich ein weiteres und letztes Mal Gänsehaut in dieser Woche.
Aber Montag geht es weiter in Berlin!
Der Funke ist übergesprungen und somit wurde aus einem Bauernprotest innerhalb kürzester Zeit ein Protest des Volkes.
David Bode